Adieu 34 Treppenstufen Luxusarbeitsweg
- Louis Heinis
- 11. Dez. 2023
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 22. Dez. 2023

Wohin die Reise wohl geht? Es bleibt spannend.....
Ein verrückter Gedanke, der Anfang dieses Jahres 2023 durch unsere Köpfe geisterte. Alles aufgeben. Weltreise! Wir machen den Laden zu, packen die Kinder ein und hauen ab. Auf Wiedersehen, "ciao Kakao"! Verrückt. Wieso aber eigentlich nicht? Wir sind unzufrieden mit unserer Wohnsituation und streben nach Veränderung. Und das ist vollkommen ok. Bevor eine Weltreise überhaupt ein Thema wurde, waren wir lange auf der Suche nach einem neuen Zuhause. Doch in Zeiten politischer Angespanntheit, mit saftiger Inflation und Zinswende, kommt der Wunsch vom Traumhaus eher ungelegen. Allesamt sind nämlich wesentliche Einflüsse, welche sich nicht gerade förderlich auf das Bauen, oder kaufen einer neuen Immobilie auswirken. Es sei denn, man hat das nötige Kleingeld. Unser Traum vom Einfamilienhaus mit Garten und Pool nach unserer Vorstellung ist schlichtweg eine „Hausnummer“ und einfach nicht realisierbar. Da würden selbst zwei Nierenspenden nicht helfen. Erst recht nicht, ohne unser Haus zu verkaufen. Oder doch nicht? Können wir uns zwei Häuser leisten? Diese Gedanken grenzen schon an „Jammern“ auf ganz hohem Niveau. Wir haben 2016 schon einmal gebaut. Und wohnen seit der Fertigstellung im Dachgeschoss eines Mehrfamilienhauses auf ca. 130 m2. Hohe Räume, offener Wohn-Essbereich, Kochinsel, Galerie, Fensterfront mit Weitsicht in die Weinberge, Balkon. Es ist eine schöne Wohnung. Unser Zuhause. Es fehlt an nichts. Dazu kommt, dass uns unser Arbeitsweg nur 34 Treppenstufen hinunter Richtung Erdgeschoss führt. Kosmetikerin, EMS-Personaltrainer, selbstständig. Die Freiheit, sich die Arbeit selbst einteilen und planen zu können. Das alles geben wir bald auf.
Unser Kosmetik- und EMS Studio werden wir nun Ende dieses Jahres 2023 schließen. In drei Wochen ist es so weit. Ein großes Kapitel unseres Lebens neigt sich also langsam dem Ende zu. Noch drei Wochen Arbeiten und Wohnen im gleichen Haus.
Kein Kratzen von vereisten Scheiben, kein Stau, keine erhitzten Gemüter und unnötige Emotionen zwecks mangelnder Fahrkünste einiger Mitmenschen, auf dem täglichen Weg zur Arbeit. Auch keine unangenehmen Gerüche im öffentlichen Nahverkehr, die man ertragen muss. Niemand, der einem beim Aussteigen aus der Straßenbahn auf die Füße trampelt. Eine durchaus luxuriöse Ausgangslage, welche wir uns durch Mut, harte Arbeit und ein wenig Hilfe, in jungen Jahren, selbst geschaffen haben. Doch „aus die Maus“ wir geben das alles auf. Unser Streben nach Veränderung ist an diesem Punkt für die meisten Menschen in unserem Umfeld absolut nicht nachvollziehbar. Bevor unsere Weltreise überhaupt nur ansatzweise ein Thema wurde, versuchten wir voller Energie unser Traumhaus zu finden. Neue Wohnträume laut zu träumen kommen, als „by the way“ hoch verschuldete Besitzer eines Mehrfamilienhauses nicht wirklich gut an.
Ja man spürte einen Hauch von Verurteilung in Richtung Überheblichkeit von diverser Seite.
Doch der Wunsch nach einem frei stehenden Einfamilienhaus im Grünen war riesig. Ein kommendes Bauprojekt, welches uns eine wunderschöne Aussicht verbauen wird, verstärkte es um so mehr. Der Wunsch nach Land und Luft. Nach Platz und Ruhe. Kein Nachbar, der um 23 Uhr mit dem Industriestaubsauger die Regenrinne saugt. Auch Renovierungsarbeiten nach 22 Uhr müsste man dann nicht mehr ertragen. Niemand links und niemand rechts. Natur. Ruhe. Eine Traumvorstellung. Die angekündigte Großbaustelle, welche 27 Wohnung und eine gigantische Tiefgarage umfasst, wird direkt vor unsere Nase gebaut. Da hilft selbst die größte Nase nichts, um ein wenig Abstand zu wahren. Das leise Erschließen eines Bebauungsplans kann sich anfühlen wie ein Schlag ins Gesicht. Als ehemaliger Eishockeyspieler kenne ich mich bestens mit Schlägen im Gesicht aus. Sieben male, habe ich mir meine Nase in alle Richtungen gebrochen. Doch dieser Schlag fühlt sich immer noch am schmerzhaftesten an. Ohne Mitteilung ist es für einen normalen Menschen nun einmal schwer mitzubekommen, wenn aus nicht Bauland (früher unbebautes Schutzwassergebiet) plötzlich Bauland wird. Es sei denn, man studiert täglich die Bekanntmachungen in den Amtsblättern.
Der Gedanke bald aus einer 15 m² Fensterscheibe auf eine Wand, oder in Nachbars Küche, anstatt in die grüne Weite Richtung Weinberge zu schauen, drückte die Stimmung in den Keller und förderte unseren Veränderungswunsch enorm.
Nach 1000 € Anwaltskosten und der Gewissheit nichts gegen dieses Projekt unternehmen zu können, wollen wir nur eins. Weg! Wir zogen alles in Betracht und suchten nach einer Möglichkeit, unsere Wohnsituation zu verbessern, ohne unser Haus zu verkaufen. Ländlich wohnen, in der „Stadt“ arbeiten? Oder doch den Laden schließen? Unser gut laufendes Kosmetik- und EMS Studio im Erdgeschoss zu schließen und weit in die Prärie zu ziehen, war allerdings auch keine Option. Wir wollten unsere Luxusgewohnheit nicht aufgeben. Diese 34 Treppenstufen runter zur Arbeit sind schon sehr praktisch. Luxusprobleme. Wir wollten alles haben. So wie Nina Chuba in Ihrem Song „Wildberry Lillet“ singt: „Ich will haben, haben, haben“. „Immos“, „Dollars“ immer mehr! In der Schweiz sagt man: „Chasch nid s’füfi und s’weggli ha“. Jaja, die guten alten Schweizer. Keiner Versteht sie. Nicht einmal die Schweizer sich selbst. Spaß bei Seite. Dann kam der Punkt X. Wir änderten unser Mindset. Schluss mit diesem Hamsterrad namens Leben. Hallo Erleben. Wir wünschten uns immer einmal eine längere Reise zu unternehmen. 3 Monate, mit den Kindern Zeit zu verbringen. Vielleicht mit einem Camper durch Europa zu ziehen. Aber als selbstständige Unternehmer im Fitness- und körpernahen Dienstleistungssektor, ohne Angestellte, ist das fast nicht zu realisieren. Mit Angestellten, übrigens auch nicht, aber das ist ein anderes Thema. Ein zweiwöchiger Urlaub ist da auf jeden Fall, das höchste aller Gefühle. Alles andere wäre Existenz gefährdend. Also was nun? Wir haben alles, aber sind nicht zufrieden. Natürlich sind wir deutlich weniger unzufrieden als die deutsche Grundunzufriedenheit im Allgemeinen. Unglücklich, neidisch, depressiv vor sich her vegetierend. Wie ein Schluck Wasser durch die Straßen keuchend. Ein grimmiges Gesicht. Eine verzogene Schnute. Als wäre kürzlich eine Schaufel vorbeigeflogen. Der Durchschnittsbürger, den es gefühlt nur noch interessiert am Leben teilzunehmen, wenn er seine Ellenbogen ausfahren kann, um einen Vorteil zu erlangen. Oft versteht man ihn auch nicht, weil sprachliche und kulturelle Differenzen herrschen. Diese modernen „nach mir die Sintflut“ Kultur, die an allen Ecken gelebt wird. Auf diesem Level sehen wir uns nicht. Aber unzufrieden, bleibt unzufrieden.
Da hilft dir kein Benz in der Garage, kein Louis Vuitton Täschchen und auch kein Thermomix. Wenn man nach Veränderung strebt, hilft nur eins. Machen. "Fucking do it"!
Von alleine wird nichts passieren. Außer einer Verschlimmerung der Unzufriedenheit. Die eben genannte „German Miesmuschelstimmung“ welche zunehmend auf das Gemüt drückt, unterstützt den Wunsch von Veränderung und trägt bestimmt nicht zur besseren Laune bei. Die kalte, nasse Jahreszeit auch nicht. Und eines ist nämlich sicher. Abgesehen von Vogelexkrementen und ein bisschen Regen, fällt nichts vom Himmel. Man ist bekanntlich seines Glückes selbst Schmied. Also haben wir einen neuen Plan geschmiedet. Scheiß auf Luxus. Fertig mit mehr, mehr, mehr. Wir brauchen kein Traumhaus. Auf Wiedersehen Hamsterrad! Wir brechen die Zelte ab, geben unser Geschäft mit dem luxuriösen Arbeitsweg auf. Wir vermieten unser Haus, sagen "adieu" und erkunden die Welt. "One Way" auf unbestimmte Zeit….
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