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Mentaler Break down. Wir müssen einen Schneemann bauen!

  • Autorenbild: Louis Heinis
    Louis Heinis
  • 18. Juli 2024
  • 8 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 20. Juli 2024


Fuck! Es ist schon wieder so weit. Richtig gelesen. Schon wieder. Wir haben den Blues. Auf Bali hatten wir dieses Gefühl schonmal. Einiges passte nicht. Nach sechs Wochen auf der Insel gelangten wir an einen Punkt, welchen man Unzufriedenheit nennen könnte. Wir erholten uns jedoch von dieser Gefühlslage. Ein Besuch von Tante Mela hat die Dynamik wieder verändert und gab uns neuen Schwung. Mit einem versöhnlichen Ende haben wir Indonesien dann nach zwei Monaten verlassen. Dazu mehr im kommenden Blogbeitrag: „Durch Bali bollert der Bollerwagen“. Wir suchten eine neue Herausforderung und wollten wieder an das Gefühl von unserem Reisestart anknüpfen. Wir sind nach Vietnam zu Charlie geflogen. Abenteuer. Doch da ist es plötzlich wieder. Dieses Gefühl. Unwohl sein, Übelkeit, Unruhe. Vielleicht Panik? Es ist schwer zu beschreiben. Jedenfalls ist es ein schlechtes Gefühl. Ein bedrückendes Gefühl. Eine Schwangerschaft können wir ausschließen, da auch ich dieses Gefühl so empfinde und nicht nur meine geliebte Frau. Das wiederum ist ein gutes Gefühl. Essiggurken und Nutella sind also nicht das Problem. Spaß bei Seite. Es ist gerade alles doof. Es geht uns nicht gut. Das, was wir bislang von Vietnam gesehen haben, ist schön. Doch wir können nur für kurze Momente genießen. Dazu kommt, dass alle schönen Momente, die vorzeigbaren Höhepunkte, die Highlights, sehr hart verdient sind. Momente, welche glücklich machen und der Seele Frieden verleihen sind von kurzer Dauer. Kraft zerrende Wege, die so nicht sein sollten. Mitmenschen, die einem ein schlechtes Gefühl verleihen. Manchmal haben wir auch das Gefühl, im goldenen Käfig zu sitzen. Dazu später mehr.


Gesundheit. Ein wichtiges Thema. Wir sind wieder alle angeschlagen und leicht am Kränkeln. Seit Wochen. Das macht es nicht besser. Fieber, Husten und Rotze. Nach über fünf Monaten durch Asien schon fast Normalität. Das allein ist jedoch nicht das Hauptproblem. Doch was dann? Was zum Teufel ist hier los? Wir sind frei wie ein Vogel. Sind wir unglücklich? Frei, aber unglücklich? Vielleicht. Nach Glück und Zufriedenheit fühlt es sich gerade nicht an. Vielleicht können wir mit so einer Freiheit nicht umgehen? Planlos. "Freebird". Ganz nach dem Motto: „Follow the sun“, „frag mich morgen nochmals, wo wir übermorgen sein werden“. Vielleicht ist das nichts für uns. Wollen wir zu viel? Was wollen wir denn eigentlich? Eine schöne Zeit verbringen und wundervolle Erlebnisse erleben. Unseren Kindern etwas von der Welt zeigen. In fremde Kulturen eintauchen und schöne Abenteuer erleben. Ist das zu viel verlangt? Vielleicht.


Ich habe keine Antworten. Edisa auch nicht. Unser fünfjähriges Kind schon. Luan will einen Schneemann bauen. Da haben wir die Antwort.

Ein Schneemann soll es richten. Nach fünf Monaten Schwitzen kann man es ihm nicht verübeln. Er vermisst einiges. Die Emotionen überwältigten uns. Seit Tagen schleppen wir dieses beklemmende Gefühl in uns herum. Durch die Welt, wenn man so will. Und unserem kleinen, großen Knirps geht es wohl auch so. Immer wieder gab es Momente, da konnte ich es spüren. Es gab zwar keine großen Gefühlsausbrüche und „Heimweh“ Schreie, aber ich konnte es dennoch spüren.  Es fühlen. Und plötzlich gab es dann doch diesen Ausbruch. Ein weinendes Kind. Unser Fünfjähriger vermisst sein Zimmer, seine Spielsachen, sein Batmanfahrrad und sein Zuhause. Wann gehen wir zurück nach Deutschland? Keiner konnte die Tränen mehr zurückhalten. Wir heulten wie die Schlosshunde. Mitten im Restaurant. Ein emotionaler Vulkanausbruch.


Der vietnamesische Kellner hat die Welt nicht mehr verstanden, als er seine einzigen (dann noch europäischen) Gäste im Restaurant heulen sah. Diese verrückten Europäer, wird er sich gedacht haben. Privat-Dining, mit bestem Essen aus einer hervorragenden Spitzen-Hotelküche, während draußen vor der Tür die eigenen Kinder ohne Schuhe am Betteln sind. Was heulen die verrückten, wohlhabenden, weißen denn so herum? So schlecht können die Frühlingsrollen doch nicht sein.

Emotionen, Gefühle, Momente. So viel Positives wie uns widerfahren ist. So viel Negatives gab es auch. Die Medaille hat bekanntlich zwei Seiten. Da haben wir Sie wieder, die zweite Seite. Die raue Seite. Nur schwer vorstellbar, dass es einem in einem fünf Sterne Hotel nicht gut geht. Aber es ist so. Was machen wir nur? Wir sitzen im nordvietnamesischen Hochland. In den Bergen. Eine Autostunde von der chinesischen Grenze entfernt. Mit zwei kleinen Kindern. Auf gut „deutsch gesagt“ sind wir am Arsch der Welt. Nicht unbedingt vorteilhaft, um in ein mentales Loch zu fallen. Erst kürzlich hat mir Edisa von einer Reiseinfluencerin erzählt, die Ihre erneute Weltreise nach kurzer Zeit abgebrochen hat. Sind wir so weit? War es das? Hätte mich jemand vor einem halben Jahr gefragt, ob ich das für möglich halte, eine Weltreise zu unterbrechen, weil man Deutschland vermisst, dann hätte ich wohl mit „nein“ geantwortet. Fairerweise muss man sagen, dass von Deutschland vermissen, hier auch nicht die Rede ist. Es sind gewisse Dinge, Werte und Gegebenheiten, die man jetzt einfach anders schätzt. Für uns führte das zur Erkenntnis, dass unsere Zukunft wohl, trotz Sommer, Sonne, Sonnenschein, am Traumstrand, doch eher in Europa liegt. So geht es wohl auch der besagten Dame. Sie hat einen anderen Background und trägt einen anderen Rucksack. Eine Alleinreisende. Ihren privaten Hintergrund kennen wir nicht. Das ist auch irrelevant. Vergleichen und das „Leid“ aufwiegen macht keinen Sinn. Allein zu reisen oder mit zwei kleinen Kindern, um die Welt zu ziehen, ist auf jeden Fall ein Unterschied. Doch der Punkt ist, wenn es einem nicht gut geht, dann geht es einem nicht gut.


Die Kinder stehen an erster Stelle. Wir müssen sofort raus aus diesem mentalen Loch. Wir brauchen gute Gefühle. Zufriedenheit und Spaß. Glückliche Kinder.

 

Erst noch schaukelten wir einen Nachmittag über die Reisfelder von Sa Pa und genossen eine Traumkulisse auf 1600 Metern im hohen Norden von Vietnam. Ein unvergessliches Ereignis. Die Kinder hatten solch eine Freude.


So sieht dann wohl Freiheit aus ...


Doch dann machte es plötzlich Zack und die Emotionen kochten hoch. Wieso? Unter anderem, weil das ringsherum nicht passt. Sind wir depressiv? Ich habe in der Vergangenheit einiges belächelt. Gerade was das Thema Angst, Burn-out und Depressionen angeht. Ich war oft der Meinung, dass das ganze Thema eine moderne Gefühlsduselei sei und alle verweichlichen. Burn-out. Lächerlich. Wie kann ein Jugendlicher in Deutschland oder der Schweiz von einem Burn-out sprechen? Für mich war das unverständlich und schlichtweg nicht nachvollziehbar. Die Jugend, ja die Bevölkerung verweichlichen. So meine frühere Meinung. Irgendwann habe ich angefangen zu begreifen, dass meine Empfindungen, was diese Themen angeht, vollkommen irrelevant sind. Nur weil ich etwas nicht für schlimm empfinde, heißt es noch lange nicht, dass es für jemanden anderen auch so ist. Ich bin zwar heute noch der Meinung, dass gewisse Dinge, gewisse Thematiken und gewisse Handlungen im Bereich der Themen Belastbarkeit, Wille, Arbeitsmoral, in eine völlig absurde Richtung abdriften. Erwartung und Leistungsbereitschaft liegen weit auseinander. Aber zurück zum Thema. Wenn es jemandem nicht gut geht, dann geht es ihm nicht gut. Punkt. Warum, weshalb, wieso und ob ich das nachvollziehen kann, ist vollkommen egal. Es ändert auch nichts an der Sache. Zuhören, es so annehmen und die Schnauze halten gilt es, um zu setzen.


Das anzuerkennen ist ein Prozess, welcher für einen "schwarz-weiß" Menschen, der öfters schwarz als weiß denkt, manchmal nicht einfach ist.

 

Uns geht es nicht gut. Die Beweggründe hängen wohl mit einer Übersättigung zusammen. Vielleicht sind wir von Asien übersättigt. Zu viele Blicke. Wir haben hier so viele Affen gesehen, welche weniger angestarrt werden als wir. Das ist kein Spaß. Hier sind wir quasi die Affen im Zoo. Präsentiert. Zu viel Getuschel, zu viele übergriffige Momente. Schlechte Hygiene, eine zum Teil sehr spezielle Lebensweise mit äußerst fragwürdigen Regeln und einem oftmals rücksichtslosen, ekelhaften Benehmen. Vielleicht haben wir genug. Timing und Schicksal sind allerdings auch ein Thema. Ich bin mir sicher, dass wenn wir nach Thailand direkt nach Vietnam gereist wären, dass wir dann noch nicht an diesem Punkt wären. Unser Start in Thailand war wundervoll.


Nebst dem, dass ich fast gestorben wäre, hatten wir in Thailand die schönste Zeit.

Wir hatten am meisten Kontakte. Es ist am familienfreundlichsten. Immer wieder hatten wir mit deutschen und schweizer Kindern bzw. Familien Kontakt. 7 Kinder haben sich bislang auf unserer Reise in Luans Freundesbuch verewigt. Alle Kontakte waren in Thailand. Danach gab es nur noch vereinzelt Kontakte mit Kindern, wo die Chemie auch gepasst hat. Allerdings nichts, was der Rede wert wäre. Es gab keine Einträge mehr in das Freundebuch. Wir sitzen nun in Haiphong. Eine große Stadt in Vietnam, welche allerdings nicht wirklich touristisch ist. Nach unserem Gefühlsausbruch im vietnamesischen Hochland haben wir uns dazu entschlossen, nur noch zwei Dinge in Vietnam zu besichtigen und zeitnah weiterzuziehen. In Haiphong haben wir uns eine günstige Wohnung für drei Nächte gemietet, um die lange Fahrt vom Norden zu verdauen und um von dort aus einen schönen Tagesausflug zur nahe gelegenen "Lan Ha Bay" bzw. "Ha Long Bay" zu machen. Hier fühlt es sich an, wie in einer chinesischen Hochhaussiedlung. Dazu kommt, dass das Apartment dreckig ist. Das Gefühl in diesem Umfeld hat uns bestärkt, eine Entscheidung zu treffen. Vielleicht eine zu harte Entscheidung für Vietnam. Wir reisen ab. Wir verlassen die vietnamesische Bühne samt Scheinwerferlicht. Witzigerweise gab es auch gute Momente, welche allerdings aus „Louis Sicht“ nicht normal sind.


In den drei Tagen in Haiphong haben wir nebst zahlreichen Vietnamesen nur zwei weitere Ausländer gesehen. Der eine war dunkelhäutig und der andere ein Araber. Ob man es glaubt oder nicht, aber ich habe mich wirklich darüber gefreut, einen dunkelhäutigen und einen arabischen Mitmenschen zu sehen.

Die Würfel sind jedenfalls gefallen. Wir brechen unsere Vietnam-Reise ab, verzichten auf den Süden und fliegen zurück nach Thailand. Wir hoffen, an die bisher beste Zeit unserer Reise anknüpfen zu können. Wir hoffen wieder Spaß zu haben und ganz wichtig. Wir müssen einmal zur Ruhe kommen. Gesund werden. Kein Reisestress. Aus meiner romantischen Vorstellung, länger an einem Ort zu verweilen, um in das echte Leben einzutauchen, wurde bislang nichts. Mit den Reisebestimmungen / Aufenthaltserlaubnis ist es auch nicht so einfach wie gedacht. Wir waren nie länger als zwei Wochen an einem Ort. In Thailand werden wir das nun ändern und voraussichtlich einige Wochen in derselben Region verweilen. Dazu bald mehr. Zu Vietnam sagen wir nicht auf nimmer Wiedersehen, wie wir das zu Malaysia gesagt haben. Die Zukunft wird zeigen, wo es uns hintreibt. Jetzt gehen wir erstmals in eine sehr touristische Region von Thailand. Ein Hotel mit Wasserrutschen und Kidsclub wartet auf uns. Die Kinder freuen sich sehr darauf. Luan strahlte über beide Ohren, als ich ihm die Bilder von den Rutschbahnen gezeigt habe. Wenn wir daran denken, dann geht es uns wieder gut. Weiteres wird sich zeigen.


Ach, und bevor sich jemand aufregt und uns verurteilt, weil wir die armen Kinder aus einem geregelten Leben gerissen haben und unseren Selbstfindungstrip über die Bedürfnisse der Kinder stellen, muss ich sagen, dass es auch viele, viele positive Dinge gibt. Unsere Kinder haben gelernt, dass nicht alle Menschen und Kinder ein Zuhause haben. Sie wurden mit Armut konfrontiert und haben gesehen, dass Essen, sauberes Wasser oder Schuhe nicht selbstverständlich sind. Sie planschen fast täglich. Sie schwimmen nun mit 2 und 5 Jahren besser als Mitch Buchannon. Ihre Verbindung und ihr Band wurden stärker. Sie lernen Englisch. Letztens hat unsere Zweijährige einfach aus dem Nichts bei einem Kellner ein Messer bestellt.


"Excuse me, can i have a knife please". Zwei Jahre alt. Wahnsinn.

Wir saßen da, haben uns angeschaut, als wären wir im falschen Film und mussten lachen. Es gibt noch so vieles, worüber ich berichten könnte. Sie wurden zum Beispiel auch bescheidener. Spielen mit Wasserflaschen. Sie lernten, dass nicht alle Kinder zur Schule gehen können. Einige Kinder müssen arbeiten. Geld verdienen, um die Familie zu unterstützen. Um etwas zu essen. Luan bat mich dann, einem Jungen am Straßenrand alles abzukaufen, damit er nicht mehr am Straßenrand sitzen müsse und jetzt wieder in die Schule gehen könne. Ich solle doch bitte am Geldautomaten alles Geld herausholen und es dem Jungen geben. Kinderlogik ist so schön. Wir haben den Jungen dann gut versorgt.

 

 

 

 
 
 

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