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  • Autorenbild: Louis Heinis
    Louis Heinis
  • 7. Jan. 2024
  • 6 Min. Lesezeit

Rückblick. Wir schreiben den 25.11.2023. Die Besuchszeit ist vorbei.


Es ist Samstagmorgen, als mein Schwager und dessen Kumpel mit einem kleinen LKW aus der Schweiz vorfuhren. Die Einliegerwohnung im UG wird geräumt. Oma und Opa, welche sich dort ein liebevolles Besuchsdomizil eingerichtet haben, geben dieses auf. Da wir bald Heilbronn verlassen, gibt es für Sie auch keinen Grund mehr, hier eine „Ferien“- / Besuchswohnung zu haben. Natürlich haben wir diese Entscheidung ihnen selbst überlassen. Aber 300 Kilometer zu fahren, um ohne die Enkelkinder im Park spazieren zu gehen, macht keinen Sinn …

 

Rückblick. Wir schreiben den 08.12.2023. Machs gut, geliebter Wimpernkranz! 


Es ist 0:57 Uhr. Wir haben vor gut drei Stunden eine große Position auf unserer „to do“ Liste erledigt und den „Laden“ vermietet. Der Mietvertrag ist unterschrieben. Die Tinte trocken. Ich sitze nun da und versuche meine Gedanken zu ordnen und mit dieser Situation klarzukommen. Unsere sichere Einnahmequelle wird es nicht mehr lange geben. Nachdem wir die ganzen Formalitäten spätabends hinter uns gebracht haben und mit einem Gläschen Prosecco unsere neue Nachfolgerin zur Übernahme unseres Kosmetik- und EMS Studios beglückwünscht hatten, realisierten wir erst gar nicht, was gerade geschah. Freude und Trauer trafen plötzlich aufeinander und ein emotionales Chaos herrschte schlagartig in uns. Einerseits freuten wir uns, da wir Monate, unter anderem auch auf diesen Moment, darauf hingearbeitet haben, andererseits überwältigten uns negative Emotionen. Hallo Gefühlschaos!


Ich fühle mich nicht wirklich gut. In alten Eishockeyzeiten hätte man mir in so einer Situation vor lauter Gefühlsduselei zu einem Tampon geraten. Heute sehe ich das ein bisschen anders. Gefühle sind nun mal Gefühle.

Während unsere Nachfolgerin mit dem Meterstab einige Wände und Abstände nachgemessen hatte und voller Vorfreude ihr neues Kosmetikstudio plante, saßen wir im Empfangsbereich in den Königssessel und es kullerten einige Tränen über unsere Wangen. Wir spürten die imaginäre Abrissbirne, die durch das Studio, unser Studio, donnerte. Es wird sich alles verändern. Wahrscheinlich auch wir selbst. Das wird dann wohl der Lauf der Dinge sein. Es kommt, wie es kommen muss und wir werden alles zur gegebenen Zeit sehen, sagte ein Blinder. Wie passend. Fürs Erste haben wir es geschafft. Wir können jetzt einen Flug buchen und bald um die Welt reisen. Da müssten wir doch vor lauter Freude durchdrehen. Jugotypisch „Kolo“ im Kreis tanzen, oder in Schweizer Manier durch die Gänge jodeln. Ehrlicherweise war uns aber nicht danach, ein Freudentänzchen auf das Parkett zu legen. Im Gegenteil. Es hat sich „ausgejodelt“. Es fühlte sich eher schmerzhaft nach Verlust an. Unser erstes Baby, welches wir selbst erschaffen und großgezogen haben, übergeben wir nun in fremde Hände. Das ist doch Wahnsinn.


Ich fühle mich geschreddert wie nach einem Kampf. Ein vergleichbares Gefühl. Die Schmerzen fühlt man erst, wenn das Adrenalin nachlässt und man zur Ruhe kommt. Erst dann beginnt der gebrochene Knochen zu pochen. Dann erst fühlt man, was eigentlich los ist.

Es sind indessen drei Stunden seit der Unterschrift vergangen. Es ist ruhig geworden. Mein gebrochenes Herz pocht allerdings wie verrückt. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie es Edisa gerade geht. Ich kann es nur erahnen. Die Gedanken an ihre Gefühle und ihr Empfinden machen das Ganze umso schwerer für mich. Sie war das Aushängeschild und die führende Kraft dieses Studios. In ihrem Blick konnte man jetzt so vieles gleichzeitig erkennen. Freude, Trauer, Schmerz und Angst. Ein Hauch von Leere. Wenn mein Herz schon blutet, dann muss ihr Herz jetzt in 1000 Stücke zerrissen sein. Wenn ich allerdings eines aus früheren Tagen gelernt habe, dann, dass es nichts um sonst gibt auf dieser Welt. Man muss immer, immer, immer den Preis bezahlen. Ein kurzer Moment des Sonnenscheins kann dich erst mal hunderte, vielleicht sogar tausende Stunden im Dunkeln, fernab von Aufmerksamkeit und Ertrag, kosten. Alles, was man tut, was man entscheidet, dann auch angeht oder umsetzt, hat eine Reaktion als Folge. Nebst anderen Meinungen, negativen „Vibes“ und zahlreichen Steinen, die auf unserem Weg lagen und noch immer liegen, haben wir uns doch dafür entschieden, diesen Weg so zu gehen.


Wir wollen dieses Abenteuer. Da gehört der unangenehme Teil im Hintergrund, jenseits von lachenden Social Media Beiträgen aus dem Paradies, nun auch mit dazu. Ganz nach dem Motto: „Pay the price" sieht es wohl ganz danach aus, als wäre heute Zahltag! 

Die Tinte ist trocken. Kosmetikstudio und Wohnung wurden vermietet. Hallo Gefühlschaos!

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte ...



Its time to say goodbye! Du wunderschöner Wimpernkranz. Du warst unser erstes Baby und wurdest mit ganz viel Liebe erschaffen. Danke für die schönen Jahre, die wir in deinen liebevoll gestalteten Räumen verbringen durften. Die zahlreichen Arbeitsstunden ermöglichten uns ein gutes Leben. Vielen Dank für die vielen, vielen Kunden, welche wir behandeln, verschönern, betreuen, begleiten, unterstützen, fordern, und manchmal auch ein bisschen quälen durften. Durch das Öffnen deiner Türen sind enge Beziehungen und sogar Freundschaften entstanden. Nun schließen wir deine Türen für immer. Der Gedanke daran ist äußerst schmerzhaft, trotz eines eigentlich freudigen Grundes. Doch du ermöglichst es uns, einen anderen Traum zu leben. Wir werden dich und diese schöne Zeit niemals vergessen und sagen äußerst dankbar und voller Wehmut, adieu!


 

Rückblick. Wir schreiben den 15.12.23. Geliebtes Zuhause, danke für die schöne Zeit!


Es ist 21 Uhr abends. Der nächste Meilenstein in unserer Vorbereitung wurde soeben erreicht. Die Wohnung ist jetzt offiziell vermietet. Ehrlicherweise war das der einfachste Part auf unserer „to do" Liste. Unsere gute Freundin „Elenuschka“ hatte schon vor Monaten kundgetan, unsere Wohnung zu übernehmen, falls wir die Nummer wirklich durchziehen und auf Weltreise gehen. An einem schönen Sommerabend saßen wir auf unserem Balkon, haben alle Details besprochen und genossen 8 Flaschen Lambrusco. Da wir uns alle gegenseitig vertrauen, galt das Ganze als erledigt und sicher. So hat sie ohne Mietvertrag bzw. Unterschrift, nur mit unserer Zusicherung schon vorzeitig ihre Wohnung gekündigt. Natürlich haben wir das Timing abgesprochen. Wir unsererseits haben uns allerdings immer darauf verlassen, dass, wenn wir alles erledigt haben, Sie die Wohnung auch tatsächlich übernimmt. Die Vermietung des Kosmetikstudios war auf der Liste aller Erledigungen die größte Hürde. Diese haben wir genommen. Nun ist es an der Zeit, das Ganze schriftlich zu besiegeln.


Ganz nach dem Motto: "Tick tack macht die Uhr" brach der Tag der Unterschrift heran. Der Lambrusco hüpfte voller Vorfreude schon fast alleine aus dem Kühlschrank, als „Elenuschka“ die Wohnung betrat.

Nachdem wir die Formalitäten hinter uns gebracht hatten, machten wir das, was wir am besten können. Wir haben die Weingläser klirren lassen, beglückwünschten Sie zu ihrem baldigen, neuen Zuhause und genossen den Abend. Aufgebracht, aber ohne Tränen und mit einem guten Gefühl. Wir sind jetzt offiziell bald wohnungslos. Das ist schon eine spezielle Situation. Ich persönlich habe schon einige Tapetenwechsel ins Ungewisse hinter mir. Aber dieser wird definitiv anders. Bedeutsamer. 1000 % verantwortungsvoller. Die Zeit, wo man sich leichtfüßig die Eishockeytasche auf den Rücken wirft, einmal zum Abschied winkt und dann weiterzieht, ist schon lange vorbei. Aus ich wurde wir. Aus zwei wurden vier. Wir haben Kinder. Familie. Verantwortung. Nichtsdestotrotz gehen wir diesen Weg gemeinsam. Und wagen die Reise unseres Lebens. Dazu gehört es auch, loszulassen und auf Wiedersehen zu sagen. Also sagen wir, voller Stolz und Dankbarkeit, auf Wiedersehen!


Machs gut zu Hause. Wir wünschen dir glückliche Bewohner, die dich schätzen, liebevoll pflegen und mit Sorgfalt behandeln. Die zahlreichen unvergesslichen Momente, welche wir hier erlebt haben, werden wir immer in unseren Herzen mit uns tragen.

Angefangen bei den zweieinhalb Jahren Bauzeit und der Fertigstellung. Von Unwissenheit und jugendlicher Leichtsinnigkeit geleitet, mutierten wir zu „Bob der Baumeister“ und lernten fürs Leben. Ich persönlich erlangte die Gewissheit, dass der Beruf Bauleiter absolut nicht lohnenswert ist. Für kein Geld der Welt. Es sei denn, man bevorzugt ein utopisch hohes Noradrenalin, Adrenalin und Cortisollevel, Kopfschmerzen und Magengeschwüre! Nach viel Schweiß, Blut und Tränen gelang uns die Fertigstellung. Langweilig wurde uns nach der "Bauerei" nie. Instandhaltung und Reparaturen. Es gab immer etwas zu tun. So viele Arbeitsschritte sind mit zahlreichen Erinnerungen verbunden. Wir werden diese nie vergessen. Ich werde nie vergessen, wie ich auf dem Balkon die Hausfassade am Streichen war, und mir Edisa mitteilte, dass wir bald Eltern werden. Oder die erste Kindertapete, welche wir im Kinderzimmer an die Wand tapezierten. Das Babybettchen, welches wir aufgebaut hatten. Der erste Moment, als wir mit den neugeborenen Zwergen das erste Mal die Haustür aufmachten und ihnen ihr neues Zuhause präsentierten. Die ersten Wörter und Schritte unserer Kinder, welche in diesen Räumen auf diesem Boden stattgefunden haben. Wir feierten Kindergeburtstage, Halloween und Weihnachten und ließen zum Jahresende jeweils hier ein paar Raketen steigen. Zahlreiche schöne Abende mit Freunden und Familie haben wir hier erlebt. Auch weniger schöne Momente, die es im Nachhinein dann trotzdem auf die Highlightliste geschafft haben, bleiben unvergesslich. Da wären zum Beispiel die ungebetenen, federnden Gäste, welche nachts durchs offene Fenster hineingeflogen sind und uns am nächsten Tag nötigten, die Wohnung zu renovieren. Ich werde auch nie vergessen, wie ein Spielzeugauto in die Balkonscheibe donnerte und die Reaktion: „Ooopsi Papa. Auto, Scheibe, kaputt“ lautete. Oder ein besonderes Highlight, als ich mit meinem Sohnemann in der Badewanne gebadet und gespielt habe und plötzlich neben den zahlreichen Spielzeugen und quietsche Enten eine Kackwurst entlang schwamm. Unvergesslich. Momente für die Ewigkeit. Dieser Spirit wird für immer in diesen Räumen verbleiben. Geliebtes Zuhause, danke für die schöne Zeit! ❤️


 

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2 Comments


Melisa Pracic
Melisa Pracic
Feb 17, 2024

Wow Louis echt so schön geschrieben 💐 da hab ich doch wirklich ein paar Tränchen verdrückt 🥲🥹soviele tolle Erinnerungen habt ihr hier geschaffen 🥰 aber jetzt ist es an der Zeit neue Abenteuer zu erleben und neue Erinnerungen zu schaffen🥳 wäre doch sonst zu langweilig oder? Hehe

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Louis Heinis
Louis Heinis
Feb 17, 2024
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Hey Mela, es ist ja auch eine emotionale Geschichte. Auch wir haben einige Tränen vergossen. Das war alles andere als einfach unseren sicheren Hafen zu verlassen. Aber du bringst es auf den Punkt. „Jetzt ist es an der Zeit“ können wir so stehen lassen. Abgesehen von Gesundheit ist die Zeit das Wertvollste, was wir haben. Zeit für unsere Kinder. Zeit für uns als Familie. Wir zeigen unseren Kindern die Welt 🌍 Nach 10 Tagen in Thailand haben wir schon so viele Erinnerungen geschaffen und wunderschöne Momente erlebt. Wir wissen gar nicht mehr, wo hinten und vorne ist😅 bis bald✌🏻


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